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Siedlungsrechtliches Vorkaufsrecht - Aufstockungsbedarf - Auswahl des aufstockungsbedürftigen Landwirts bei Vorhandensein mehrerer Kaufinteressenten

Die BBV LandSiedlung GmbH ist das für Bayern zuständige gemeinnützige Siedlungsunternehmen. Sie übt das ihr zustehende Vorkaufsrecht nach § 4 I Reichssiedlungsgesetz (11.08.1919) aus.

Die Voraussetzungen zur Ausübung des siedlungsrechtlichen Vorkaufsrechtes sind gegeben, wenn die Veräußerung eines landwirtschaftlichen Grundstücks der Genehmigung nach dem Grundstückverkehrsgesetz bedarf (in Bayern Grundstücke ab einer Größe von 1 ha) und die Genehmigung nach Auffassung der Genehmigungsbehörde nach § 9 GrdstVG zu versagen wäre. Der mit Abstand häufigste Versagungsgrund für die Genehmigung ist die „ungesunde Verteilung von Grund und Boden“. Eine ungesunde Verteilung von Grund und Boden liegt in der Regel dann vor, wenn die Veräußerung des Grundstücks Maßnahmen zur Verbesserung der Agrarstruktur widerspricht. Dies ist nach ständiger Rechtsprechung dann gegeben, wenn ein Nichtlandwirt eine landwirtschaftliche Fläche erwirbt und gleichzeitig ein oder mehrere landwirtschaftliche Betriebe vorhanden sind, welche die Fläche zur Aufstockung ihres oder ihrer Betriebe benötigen und zum Kauf der Fläche bereit und (finanziell) in der Lage sind. Das grundsätzlich gegebene allgemeine Interesse eines landwirtschaftlichen Betriebes an Flächen reicht dabei für die Versagung der Genehmigung und für die Ausübung des Vorkaufsrechtes nicht aus. Es muss eine gesteigerte Notwendigkeit (Aufstockungsbedarf) für den Betrieb gegeben sein, um in das nach Art. 14 GG geschützte Eigentum und in die Vertragsfreiheit einzugreifen.
Die BBV LandSiedlung GmbH als Siedlungsunternehmen sieht sich bei Ausübung des Vorkaufsrechtes mit folgenden Fragen, Forderungen der Rechtsprechung und Problemen konfrontiert:

1. Der Aufstockungsbedarf bzw. das dringende Aufstockungsinteresse des leistungsfähigen landwirtschaftlichen Betriebes im Allgemeinen:

Das dringende Aufstockungsbedürfnis des landwirtschaftlichen Betriebes setzt nicht voraus, dass dieser zur Aufrechterhaltung seines Betriebes auf die vertragsgegenständliche Fläche angewiesen ist. Es reicht aus, dass der Betrieb das Grundstück zur „Aufstockung“ dringend benötigt, mithin eine gesteigerte Notwendigkeit des kaufinteressierten Landwirts derart besteht, dass der Erwerb des Grundstücks durch einen Nichtlandwirt nachteilige Folgen auf die Agrarstruktur haben würde. Ein Grund für die Versagung der Genehmigung nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 oder 3 GrdstVG (Versagung wegen ungesunder Bodenverteilung oder Versagung wegen überhöhtem Kaufpreis) besteht nur dann, wenn Interessenten konkret mit ausführlich dargestelltem Aufstockungsgrund benannt sind. Andernfalls würde bei Konkurrenz zwischen einem Nichtlandwirt und einem leistungsfähigen Landwirt generell wegen des allgemeinen Interesses landwirtschaftlicher Betriebe an Flächen der Versagungsgrund wegen ungesunder Verteilung von Grund und Boden zu bejahen sein. Dies widerspricht jedoch eindeutig der Intension des Gesetzgebers. Hätte der Grundsatz „Bauernland in Bauernhand“ allgemein verbindlich gelten sollen, so hätte der Gesetzgeber ein generelles Verbot des Verkaufs landwirtschaftlicher Flächen an Nichtlandwirte normiert. Zu jeder Versagung der Genehmigung nach dem Grundstückverkehrsgesetz und Ausübung des Vorkaufsrechtes zugunsten eines aufstockungsbedürftigen landwirtschaftlichen Betriebes ist eine Einzelfallprüfung anzustellen.
Die Beurteilung des dringenden Aufstockungsbedarfes richtet sich in erster Linie nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten, bei denen auch eine langfristige Betrachtung sowie Aspekte der Planungssicherheit und Steigerung der Leistungsfähigkeit des Betriebes anzuerkennen sind.
Ist kein kaufinteressierter Betrieb für die Fläche im vorliegenden Kaufvertrag vorhanden, ist die Genehmigung nach dem GrdstVG zu erteilen, auch wenn ein Nichtlandwirt erwirbt. Es wird in diesem Fall davon ausgegangen, dass keine nachteiligen Auswirkungen auf die Agrarstruktur zu befürchten sind.

2. Folgende Tatbestände können grundsätzlich als konkreter Aufstockungsbedarf herangezogen werden:

  • Der Pächter/Bewirtschafter einer Fläche hat grundsätzlich ein gesteigertes Interesse, diese Fläche in Eigenland umzuwandeln
  • Das Verhältnis von Pachtland zu Eigenland eines Betriebes. Bei Betrieben mit einer Pachtlandausstattung von mehr als 50 % an der gesamten bewirtschafteten Fläche ist grundsätzlich, unabhängig von anderen Faktoren, ein Aufstockungsbedarf anerkannt
  • (Pacht)flächenverluste in den letzten Jahren (ausgelaufene Pachtverträge, Verluste durch Infrastrukturmaßnahmen oder Baulandausweisung)
  • Konkrete Flächenverluste in den kommenden zwei bis drei Jahren
  • Hoher Anteil an kurzfristig kündbaren Pachtverträgen (Gemeinden) oder Pachtverträge mit kurzer Laufzeit
  • Klassische Aufstockung durch Betriebserweiterung (Stallbau)
  • Umstellung von konventioneller Landwirtschaft zu ökologischem Landbau
  • Hoher GV-Besatz
  • Ausreichende Flächenausstattung der Marktfruchtbaubetriebe (Ernteschwankungen, volatile Märkte)
  • Futterknappheit
  • Lage der Grundstücke (Arrondierung, Wirtschaftlichkeit, Nachbarfläche)
  • ………………………………………
 
Diese Aufzählung ist nicht abschließend. Es gibt auch keine Rangordnung in der Gewichtung der einzelnen Aufstockungstatbestände. Es ist bei jeder Vorkaufsrechtsausübung eine betriebsindividuelle Gewichtung vorzunehmen.

3. Wie ist zu entscheiden, wenn es mehrere aufstockungsbedürftige und kaufinteressierte Betriebe für das Vertragsobjekt gibt?

Es kommt vor, dass es bei einem Vertrag, bei dem die Genehmigung nach dem Grundstückverkehrsgesetz zu versagen wäre, mehrere kaufinteressierte Landwirte für das Vertragsobjekt gibt. Steht dies zum Zeitpunkt der Vorkaufsrechtsausübung fest, wird für alle kaufinteressierten Landwirte das Vorkaufsrecht ausgeübt. Der Bescheid der Genehmigungsbehörde stützt sich dann auf alle benannten aufstockungsbedürftigen Betriebe.
Nach Bestandskraft des Versagungsbescheides einschließlich Mitteilung über die Ausübung des siedlungsrechtlichen Vorkaufsrechtes erfolgt die notarielle Abwicklung der Vorkaufsrechtsausübung. Dabei obliegt es dem gemeinnützigen Siedlungsunternehmen, in Bayern der BBV LandSiedlung GmbH, das Kaufobjekt an den oder die landwirtschaftlichen Betriebe in der Weise weiter zu geben, dass damit der agrarstrukturell größte Nutzen erzielt wird. Es liegt in der Natur der Sache, dass es bei mehreren kaufinteressierten Betrieben zu Diskussionen kommt.
Sofern sich das Kaufobjekt nach Anzahl der Grundstücke, Lage, Größe und Entfernung zu einzelnen Betrieben für eine Aufteilung an mehrere kaufinteressierte Betriebe eignet, kann dies vom Siedlungsunternehmen in der Abwicklung so vorgenommen werden. Das Vorkaufsrecht kann zwar nur im Ganzen für das komplette Vertragsobjekt ausgeübt werden, eine spätere Aufteilung unter mehreren Landwirten durch das Siedlungsunternehmen ist jedoch möglich, wenn es agrarstrukturell sinnvoll ist und die Vorgaben des Grundstückverkehrsgesetzes gewahrt bleiben (keine unwirtschaftliche Verkleinerung von Grundstücken; keine Aufteilung von „Betrieben“, welche dadurch ihre Lebensfähigkeit verlieren).
Wie bereits angesprochen, gibt es grundsätzlich keine starre Rangfolge und Gewichtung der einzelnen Aufstockungstatbestände. Sind mehrere kaufinteressierte Betriebe vorhanden und kann das Kaufobjekt aus agrarstrukturellen Gründen nur als Ganzes an einen Betrieb weitergegeben, ist vom Siedlungsunternehmen eine möglichst objektive Auswahl des Betriebes zu treffen. Dabei stehen folgende Überlegungen im Vordergrund:

  • Wenn der Pächter unter den kaufinteressierten Betrieben ist und noch einen weiteren Aufstockungstatbestand geltend machen kann, soll dieser die Fläche erhalten, da bereits schon (längere Zeit) eine Bewirtschaftung durch ihn erfolgt
  • Gibt es unter den kaufinteressierten Landwirten Betriebe, welche durch äußere Umstände existentiell auf die Flächen angewiesen sind (Flächenverluste in größerem Umfang, Futterknappheit etc.)? Dann sollte diesen der Vorrang vor dem Pächter eingeräumt werden. Die Restlaufzeit des Pachtvertrages ist dabei zu berücksichtigen.
  • Sollte sich kein Betrieb mit einem äußerst gewichtigen Aufstockungstatbestand hervorheben und besteht von Seiten des Pächters kein Kaufinteresse (bzw. auf der Fläche besteht gar kein Pachtrecht), wird vom Siedlungsunternehmen auf mediativem Wege eine Einigung unter den Landwirten angestrebt unter ausführlicher Begründung der letztendlich getroffenen Entscheidung.
 
4. Ist die Erwerbsfähigkeit des kaufinteressierten Betriebes vorhanden und wie wird diese durch das Siedlungsunternehmen (zur eigenen Sicherheit) geprüft?

Vor Ausübung des Vorkaufsrechtes werden mit dem aufstockungsbedürftigen Landwirt ausführliche Gespräche zu dessen Betrieb und Liquidität geführt. Dabei gewinnt das Siedlungsunternehmen schon ein sehr gutes Bild hinsichtlich der finanziellen Situation. Bei Kaufpreisen im fünfstelligen Bereich wird aufgrund der Erkenntnisse aus dem Gespräch davon ausgegangen, dass die Finanzierung beim Weiterverkauf an den Landwirt gesichert ist. Ansonsten wird nach einem anderen aufstockungsbedürftigen Landwirt gesucht.
Bei Beträgen im sechs- oder gar siebenstelligen Bereich lässt sich die BBV LandSiedlung GmbH eine Bestätigung der finanzierenden Bank des Landwirts geben. Um den Landwirt, der das Grundstück aus dem Vorkauf bekommt, an die BBV LandSiedlung GmbH zu binden, wäre zusätzlich die Abgabe eines notariellen Angebotes gegenüber der BBV LandSiedlung GmbH möglich. Allerdings sagt dieses nichts über dessen finanzielle Situation aus und darüber hinaus hat dieses aufgrund neuerer Rechtsprechung des BGH nur noch eine kurze Zeit nach Abgabe Bindungswirkung. Die Abwicklung dauert in der Regel länger und der Landwirt wäre dann an das Angebot nicht mehr gebunden. Deshalb wird regelmäßig auf die Abgabe eines notariellen Angebots durch den Landwirt verzichtet.

5. Wie werden kaufinteressierte Betriebe überhaupt gefunden und welche Schwierigkeiten ergeben sich dabei?

Vor der Entscheidung hat die Genehmigungsbehörde die land- und forstwirtschaftliche Berufsvertretung zu hören (§19 GrdstVG), das ist in Bayern per Verordnung der Bayerische Bauernverband (BBV). Dieser prüft, ob ein Versagungsgrund nach § 9 GrdstVG vorliegen könnte. Sollte ein Versagungsgrund wegen ungesunder Bodenverteilung oder überhöhtem Kaufpreis in Betracht kommen, beginnt die zuständige Geschäftsstelle des BBV mit der Suche nach einem kaufinteressierten Landwirt. Regelmäßig wendet sich der BBV wegen Beurteilung des Vertrages und wegen der Suche nach einem geeigneten Landwirt auch an die BBV LandSiedlung GmbH.
Nun ist es faktisch nicht durchführbar, jeden leistungsfähigen Betrieb im Umkreis von 10 bis 15 km um das Vertragsobjekt zu ermitteln und zu befragen, ob ein Kaufinteresse besteht. Deshalb führen die Geschäftsstellen des BBV Listen von kaufinteressierten Betrieben mit entsprechenden Daten, um zügigen Kontakt mit einem potentiellen Kaufinteressenten aufnehmen zu können. Die Fristen zur Entscheidung über die Genehmigung und Ausübung eines eventuellen Vorkaufsrechtes sind kurz. Deshalb kommt es nicht selten vor, dass kein kaufinteressierter Landwirt gefunden wird, obwohl sich unter den potentiellen Betrieben doch einer befunden hätte, der jedoch wegen der Kürze der Zeit nicht befragt werden konnte. Das ist dann sehr bedauerlich.
Auch die BBV LandSiedlung GmbH hat deshalb seit November 2014 auf ihrer Homepage  eine Plattform eingerichtet, auf der sich kaufinteressierte Betriebe (unabhängig von Produktionsrichtung, Betriebsform oder Mitgliedschaft in einer berufsständischen Vertretung) registrieren können. Wir bitten kaufinteressierte Betriebe, sich auf dieser Plattform einzutragen. Diese können dann bei einem potentiellen Vorkaufsfall ohne Umwege vorab per Telefon nach einem grundsätzlichen Interesse am Vertragsobjekt befragt werden.

Autor: Roland Schweizer, BBV LandSiedlung GmbH
Dieser Artikel ist im Bayerischen Landwirtschaftlichen Wochenblatt Nr. 14/2015 erschienen.
 
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